Call for Papers | Basteln, Senden, Mitschneiden, Streamen – 100 Jahre Rundfunk im Do-it-yourself-Betrieb

Studienkreis Rundfunk und Geschichte
Jahrestagung am 13.+14. November 2023
Bildungscampus auf dem Funkerberg Königs Wusterhausen

Deadline: 01. Oktober 2023

Beiträge auf Deutsch oder Englisch | Konferenzsprache: Deutsch

Mehr Infos hier.


Mit der Gründung des deutschen Unterhaltungsrundfunks unter dem kurios treffenden Label einer ›Gesellschaft für drahtlose Belehrung und Unterhaltung mit beschränkter Haftung‹ im Jahr 1923 begann eine Ära neuer elektronischer Öffentlichkeit. Zugleich ging eine Ära der Offenheit des Äthers für DIY-Experimente förmlich zu Ende. Experimente zur Frage, wie sich das Radio ästhetisch- und gesellschaftlich-strukturellen Experimenten und insbesondere partizipativen Bestrebungen öffnen könnte, hatten ab diesem Moment in den verschiedenen Verfassungen des Radios einen schweren Stand. Immer wieder gingen aber auch innerhalb der Anstalten Gelegenheitsfenster auf, und abseits der radiophonen Machtzentren wurden Akteur:innen nicht müde, technische und gesellschaftliche Möglichkeiten auszuschöpfen oder zu schaffen, um neue Wege zur Erschließung des elektromagnetischen Spektrums und später des Internets zur Errichtung zu erproben und radiophone Alternativen zu etablieren. Im 100. Jahr seines Bestehens ist das Radio dabei, sich immer mehr an derartigen Alternativen zu orientieren.
Podcaster werden für das On Air-Programm eingekauft, um neue Hörerschaften und aktuelle Formen der Themenaufmachung und Ansprechhaltung in die Anstalten zu bringen. Früher einmal große Player im Medienmarkt, müssen sich öffentlich-rechtliche Rundfunkhäuser Bedingungen der Plattformökonomie beugen. Zwischen diesen beiden Polen agierte zu jeder Zeit ein Spektrum von Alternativen: Freie Radios, radiokünstlerische Projekte, Piratensender, Online-Radios, Radio-Workshops, hybride Streaming-Projekte. Die Tagung widmet sich der Frage, welche Verbindungen zwischen heutigen und früheren, zwischen europäischen und transkontinentalen, zwischen politischen und idealistischen Ansätzen zu erkennen sind.

Wir fragen in unserer Tagung nach der historischen und aktuellen Rolle von Bastler*innen, Radiopirat*innen und -aktivist*innen, Sammler*innen mit privaten Archiven sowie Pionier*innen neuer Netzformate im Verhältnis zum klassischen Rundfunk.

Beispielhafte Themenfelder sind:

  • Aneignung/Selbstermächtigung der Bastlerinnen und Piratinnen
  • Beispiele wie Radio Dreyeckland, Radio 100 und internationale Initiativen in historischen Darstellungen
  • Wissenskulturen: Diffusion technischen/handwerklichen Wissens aus und in die Institutionen
  • Privatbasteln als Avantgarde des Mainstream-Rundfunks: Hochschulradio/-TV und Freies Radio als Karriere-Sprungbrett
  • Medienwechsel vom niedrigschwelligen Podcast zum institutionalisierten Anstaltsakteur bzw. hoch finanzierten Fernseh-/Netflixproduktionen
  • Kann die Erforschung privater Sammlungen von Rundfunk- und Fernsehmitschnitten neue Erkenntnisse zur Medien- und Kulturgeschichte des Rundfunks und seiner Rezeption bzw. ‚Aneignung‘ liefern bzw. gibt es dazu bereits Forschungen?
  • Gibt es relevante Programminhalte, die ausschließlich in privaten Mitschnitten überliefert sind, weil sie z.B. von den Sendern selbst nicht archiviert wurden? – Wie sieht die Sammler-Szene heute aus? Wer hat in den vergangenen Jahrzehnten systematisch Radio und Fernsehen aufgezeichnet und wie sind die Akteur*innen vernetzt? Welche biografischen Momente sind mit dem Sammeln und Austauschen privater Mitschnitte verbunden? –
  • Welche Bedeutung könnten die Erfahrungen aus Bereichen privaten Bastelns, Sendens, Mitschneidens, Streamens für künftige Strukturen öffentlich-rechtlicher Sender haben?

Planen Sie Ihre Vorträge mit einer Länge von 20 Minuten plus 10 Minuten Diskussion. Denken Sie daran, die Vorträge anschließend bei uns zur Vorbereitung einer Publikation bzw. eines Sonderhefts der Zeitschrift „Rundfunk und Geschichte“ einzureichen!

Einreichungen richten Sie bitte bis zum 01. Oktober 2023 an

Dr. Kai Knörr / Universität Potsdam knoerr@uni-potsdam.de