Mediendispositive und ihre Subjektkulturen (Teil I). Theoretische Vorüberlegungen zur historischen Medienspezifik von Klang, Hören und Subjektivierung

Klang und seine mediale Hervorbringung treffen nicht nur auf je spezifische Subjekte in ihrer Rolle als Rezipient*innen, sondern bringen die jeweiligen Subjekte vielmehr erst hervor. Damit verbundene Forschungsfragen haben in den Sound Studies und in der Musikforschung in jüngerer Zeit Konjunktur (Eidsheim 2015; Müller 2018; Schulze 2018). Hier setze ich mit diesem Beitrag an und entwickele Überlegungen zum Verhältnis von Klang und Subjektivierung. Dafür werde ich den Begriff des Mediendispositivs in die Waagschale werfen und fragen, wie dieser sich für medienspezifische und vor allem auch historische Untersuchungen von Klang und Hören in Bezug auf Subjektivierungsprozesse erschließen lässt. Dieser Text stellt theoretische Bestimmungen der Schlüsselbegriffe Subjekt, Technologien des Selbst und Mediendispositiv an. Ein zweiter Beitrag wird darauf aufbauen und eine historische Gegenüberstellung von Radio und Jukebox der 1930er Jahre im Kontext der USA anschließen.

Subjekt und Subjektwerdung

Zunächst zum Begriff des Subjekts: Subjektivierung oder Subjektwerdung meint in meinem Verständnis – da folge ich im weitesten Sinne der Foucault’schen Auffassung – die Einübung von Lebensformen. Individuen werden zu Subjekten durch ihre Einbindung in sinn- und bedeutungsstiftende Diskurs-Praktiken-Komplexe und soziale Strukturen (Foucault 1982). Oder anders ausgedrückt: Subjektwerdung ist gleichbedeutend mit der Vergesellschaftung von Individuen. Sie beschreibt den Vorgang, bei dem sich Menschen in jenen Anforderungen üben und sich jene Dispositionen, Normen, Denkweisen und Affektmuster einverleiben, die zum Leben innerhalb einer spezifischen Gesellschaft benötigt werden. Subjektwerdung, das hat vor allem Judith Butler (2001) in Anknüpfung an Foucault weiter ausgearbeitet, meint damit immer auch Unterwerfung unter Daseinsbedingungen, die gesellschaftlich und kulturell geprägt sind. Erst auf Grundlage dieser Unterwerfung – Butler spricht hier im Englischen von „subjection“ (in der deutschen Übersetzung „Subjektivation“) – erhält das Subjekt seine Fähigkeit zu handeln, zu denken, zu fühlen usw. (ebd.: 8). Es nimmt beim Prozess seiner Subjektwerdung die externen Machtstrukturen auf, die in einer jeweiligen Gesellschaftsformation produziert werden und bezieht daraus sein Welt- und Selbstverhältnis und seine eigene Handlungsfähigkeit (oder agency).

Medien als Technologien des Selbst

Ist von externen Machstrukturen die Rede, dann hat die klassische poststrukturalistische Subjekttheorie primär symbolische Ordnungen, also Diskurse, Wertemuster und gesellschaftliche Normen, im Blick. Ich versuche hier aber Medien und Klang in diese Gleichung der Subjektwerdung einzubinden. Dafür braucht es meines Erachtens zwei Begriffe: Technologien des Selbst und Mediendispositiv.

Zu den Technologien des Selbst: Hier scheint mir der Ansatz anschlussfähig, den der Kultursoziologe Andreas Reckwitz (2006) – ebenfalls in Anknüpfung an Foucault – in seinem umfassenden Entwurf einer Theorie des Subjekts der Moderne vorgelegt hat. Foucault (1993) bestimmte Technologien des Selbst als Praktiken einer Autogenese, ergo Praktiken, mit denen das Subjekt ein Verhältnis zu sich selbst (seinem Körper, seiner Psyche, seinem Bewusstsein etc.) herstellt. Reckwitz versucht diesen Begriff für eine medientheoretische Perspektive produktiv zu machen, indem er das Feld der Medien als einen „primären Subjektivationsort“ (2006: 55ff.) der Moderne ins Visier nimmt. Mediale Praktiken versteht er als mediale Technologien des Selbst, bei denen „der Umgang mit Artefakten dazu verwendet wird, um im ‚Inneren‘ des Subjekts bestimmte kurzfristige oder langfristige Effekte zu erzielen oder um bestimmte kognitive oder emotionale Kompetenzen aufzubauen“ (ebd.: 58). Damit will Reckwitz ausdrücken, dass das Subjekt sich durch die Beschäftigung beim Lesen oder Schreiben, beim Film- oder Fernsehschauen oder auch beim Umgang mit dem Computer in ganz bestimmten Eigenschaften, Haltungen und Fähigkeiten erprobt und schult, sei es zum Zwecke „der Bildung, des Kunstgenusses, der Selbstexploration, der Zerstreuung oder des Spiels. Mediale Praktiken sind Trainingsfelder der Wahrnehmung, der Kognition, der Affektivität und werden vom modernen Subjekt primär als solche Räume der Selbstformierung eingesetzt“ (ebd.: 59).

Reckwitz hat eine Makroperspektive vor Augen. Wenn er von medialen Praktiken und Medientypen spricht, ordnet er diese seinen drei historischen „Subjektkulturen“ zu, die er für die Moderne identifiziert: 1. Die bürgerliche Moderne (~ spätes 18. bis frühes 20. Jahrhundert), 2. die organisierte Moderne (~ 1920er bis 1970er) und die Spätmoderne (~ 1980er bis Gegenwart). Die Übergänge zwischen diesen Subjektkulturen fallen mit einer Reihe von gesellschaftlichen, kulturellen und ökonomischen Strukturbrüchen zusammen, die – und darauf soll es in diesem Beitrag ankommen – immer auch mit einem Medienwandel koinzidieren. Die für die drei Subjektkulturen charakteristischen Medientypen unterbreiten den Subjekten unterschiedliche Angebote zur Herstellung spezifischer Selbstverständnisse:

  1. In der bürgerlichen Moderne des 18. und 19. Jahrhunderts dominieren Schriftmedien. Entsprechend bilden Praktiken des Lesens und des Schreibens die vorherrschenden Technologien des Selbst, mit denen sich das Subjekt in einer Innenschau bzw. einer Innenkehr trainiert, etwa indem die „Signifikantenketten“ der Schrift in „mentale Vorstellungsbilder“ übersetzt werden (ebd.: 167). Das Subjekt richtet sich bei Praktiken des Lesens und Schreibens auf sich selbst, ist für sich alleine, es entwickelt durch das Schreiben und Lesen von Romanen, Briefen oder Tagebüchern das klassisch-bürgerliche Autonomieverständnis. Es bildet seinen Geist, diszipliniert seine kognitive Aufmerksamkeit und schult sich in körperlich still gestellter Kontemplation durch eine Selbsthermeneutik im Medium der Schriftlichkeit (ebd.: 155ff.).
  2. Mit den technischen Medienrevolutionen zu Beginn des 20. Jahrhunderts kommen neuartige mediale Technologien des Selbst auf. Reckwitz nennt hier primär die Filmerfahrung, die das Subjekt nun in einer Kehr nach Außen ausrichtet: Im Film beobachtet das Subjekt andere Körper und wird nicht wie beim Lesen auf sich selbst und sein Inneres zurückgeworfen. Es versteht und bildet sich stattdessen im Verhältnis zu jenen Körpern, die es auf der Kinoleinwand betrachtet und schaut sich über diese Körper Eigenschaften ab und kopiert sie, etwa Kleidungsstile, Haarmoden oder Körperbewegungen. Dieser Medienwandel läutet Reckwitz zufolge den Beginn der postbürgerlichen Subjektkultur der organisierten Moderne ein, in der sich das Subjekt von der klassisch-bürgerlichen Disziplinierung des Geistes lossagt und stattdessen ein enthemmteres Begehren für das audio-visuelle Spektakel anderer Körper entwickelt. Dieses postbürgerliche Subjekt übt sich durch kontinuierliche Selbst- und Fremdbeobachtung diejenigen Normalitätsstandards ein, die ihm die Subjektrepräsentationen bzw. Körper auf audio-visuellen Oberflächen vorleben (ebd.: 381ff.).
  3. Schließlich bringt der Umbruch von analogen zu digitalen Medien – wie er sich seit den 1980ern vollzieht – Technologien des Selbst hervor, die das Subjekt im Umgang mit digitalen Anwendungen und Apparaten trainieren, die sich besonders in „Dispositionen des Wählens und des Experimentierens“ (ebd.: 576) äußern. Digitale Welten sind interaktive und hypertextuelle Welten, sie stellen endlose Kombinationsmöglichkeiten und Verweiszusammenhänge her. Im Internet werden Bedeutungen ganz genauso wie Selbsterzählungen und -stilisierungen niemals abgeschlossen. Bei der Nutzung sozialer Medien und diverser Apps werden durch Posten, Reposten, Kommentieren, Liken und Sharen Bedeutungen und Inhalte fortwährend weiterbearbeitet, User*innenprofile werden ständig „geupdatet“ und re-evaluiert. Das spätmoderne Subjekt, das sich in diesen digitalen Räumen über Selbsttechnologien formt, ist entsprechend ein prozessorientiertes Selbst, das sich ständig im Modus des kreativen und aktiven Prosumings befindet und damit in Homologie zu einer Gesellschaftsform gebracht wird, die auch in anderen Feldern individualisiertes und selbst-unternehmerisches Handeln prämiert. So liegt die digitale Medienkultur etwa homolog zum Feld der Arbeit im Kontext postindustrieller und neoliberaler Ökonomie, die sich – ganz genauso wie die sozialen Medien – als Aufmerksamkeitsökonomie (Franck 1998) und Schauplatz kreativer und niemals endend wollender Selbstoptimierung formiert hat (Bröckling 2007).i

Was hat das alles mit Klang und Musik zu tun? Nun, wie an dieser Auflistung zu erkennen ist, ist in Reckwitz’ Theorie der Moderne selten von Musik die Rede, noch seltener von Klangmedien respektive von Klang als Selbsttechnologie.ii Reckwitz beschränkt sich vor allem auf den Kontext der modernen Schrift- und Bildmedien, womit seine sehr umfassende Subjekttheorie der Moderne eine klaffende Leerstelle lässt. Entsprechend ist eine klangorientierte Medien-, Kultur und Musikforschung hier dazu aufgefordert, eine Kultur- und Mediengeschichte des Klangs und des Hörens anzuschließen. Damit komme ich zum Begriff des Mediendispositivs.

Medien als heterogene Arrangements: Zum Begriff des Mediendispositivs

In der Medien- und Kulturtheorie wurde bereits ausführlich dargelegt, dass es in der Moderne verschiedene historische und mediale Konfigurationen des Sehens gegeben hat. Diese haben sich immer in Relation zu den Apparaturen bzw. Technologien der Visualisierung (Kameras, Linsen, Bildschirme, grafische Benutzeroberflächen etc.) herausgebildet. Jonathan Crary (1994) hat das für die bildende Kunst und Wissenschaften, Jean Louis-Baudry (1993; 1994), Laura Mulvey (1999), Richard Dyer (2017) und Steven Shaviro (2010) haben das für Film, Fernsehen und digitale Videokultur gezeigt. Auch Arbeiten aus den Sound Studies (Thompson 2002; Sterne, 2003; Bijsterveld 2008; Lacey 2013) haben betont, dass Hörweisen und Klangerfahrungen insbesondere in den letzten 150 Jahren von einem rapiden Wandel der auditiven Medientechnologien geprägt sind und ständig neu geformt werden. Hier ist nicht der Ort, um auf diese Arbeiten en detail einzugehen. Wichtig scheint mir nur die Erkenntnis dieser Studien, dass Hörweisen und Klangerfahrungen als Verkoppelungen von kulturellen Einflussgrößen und Medientechnologien gedacht werden müssen. Klangkulturen, so drückt Jody Berland aus, „morph from one technoform to the next, fusing the desiring ear, the shifting space, and the rapid obsolescence of reproductive media. This process can be explored historically in relation to the changing social contexts and spatial subjectivities of the listener-citizen-consumer“ (Berland 2009: 186). In dieser Perspektive ist Klang nicht einfach eine objektiv messbare physikalische und geschichtslose Größe, sondern wird, darauf weist auch der Musikwissenschaftler Peter Wicke (2008) hin, vom Zusammenspiel sozial-kultureller, ökonomischer und technischer Komponenten geformt.

Ich schlage nun vor, für diese netzartigen Verschränkungen den Begriff des Dispositivs einzusetzen, um damit das Verhältnis von Klang und Subjekt(kulturen) zu denken. Der Dispositivbegriff meint im Foucault’schen Verständnis ein heterogenes Arrangement aus Apparaturen, Architekturen, Diskursen, Praktiken, Institutionen und Topologien, das Machteffekte erzielt und entsprechend mit der Ausprägung von Gesellschaftsformationen und der Vergesellschaftung von Individuen bzw. mit deren Subjektwerdung verbunden ist (Foucault 1978). Weil ich eine Medienspezifik anvisiere, spitze ich den Dispositivbegriff als Mediendispositiv zu, um damit auszudrücken, dass mich technische Medien gewissermaßen als die Schaltstellen dieses komplexen Arrangements interessieren. Rolf Großmann (2008) hat bereits versucht, die Potenziale des Dispositivbegriffs für die Musikforschung zu öffnen. Auch Holger Schulze (2018) hat den Dispositivbegriff für das Verhältnis von Technologien, Klang, Hörweisen und Subjektivierung zur Anwendung gebracht. Beide beziehen sich auf die Apparatustheorie von Jean-Louis Baudry (1993; 1994), der mit dem Dispositivbegriff das räumliche und technologische Arrangement und die „ideologischen Effekte“ auf die Zuschauer*in beim Filmschauen im Kinosaal beschrieb. Hier knüpfe ich an, setze jedoch einen leicht anderen Fokus, indem ich das Arrangement über die räumlichen und technologischen Gegebenheiten hinaus denke und auch sozial-kulturelle und ökonomische Einflussgrößen einbeziehe.iii

Der Wandel im Feld der auditiven Medien vollzieht sich nicht einfach nur auf einer technologischen Ebene (also mit der Entwicklung neuer Apparaturen und Geräte), sondern ist immer auch von deren Bewirtschaftung in einem spezifischen kulturhistorischen und gesellschaftlichen Kontext gekennzeichnet. Genau das will ich mit dem netzartigen Arrangement des Mediendispositivs beschreiben. Die Geschichte hat verschiedene Mediendispositive und Klangkulturen hervorgebracht. Übertragen auf eine Theorie des Subjekts möchte ich anhand einer fallbeispielhaften Gegenüberstellung von Radio und Jukebox in den 1930er Jahren überlegen, wie Subjektkulturen mit historischen Mediendispositiven in Beziehung standen, durch diese sonifiziert wurden und mit spezifischen Technologien des Selbst, hier also im Sinne von Reckwitz, verbunden waren.


Der zweite Teil dieses Beitrags ist am 2. Dezember 2020 erschienen: “Mediendispositive und ihre Subjektkulturen (Teil II). Radio und Jukebox der 1930er Jahre”


Baudry, J.-L. (1993). „Ideologische Effekte erzeugt vom Basisapparat“. In: Eikon. Internationale Zeitschrift für Photographie und Medienkunst 5, 36–43.

Baudry, J.-L. (1994). „Das Dispositiv. Metapsychologische Betrachtungen des Realitätseindrucks“. In: Psyche 48 /11, 1047–1074.

Berland, J. (2009). North of Empire. Essays on the Cultural Technologies of Space. Durham: Duke University Press.

Bijsterveld, K. (2008). Mechanical Sound. Technology, Culture, and Public Problems of Noise in the Twentieth Century. Cambridge: MIT Press.

Bröckling, U. (2007). Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Butler, J. (2001). Psyche der Macht. Das Subjekt der Unterwerfung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Crary, J. (1994). „Unbinding Vision“. In: October, 68, 21–44.

Dyer, R. (2017). White. London: Routledge.

Eidsheim, N. S. (2015). Sensing Sound. Singing and Listening as Vibrational Practice. Durham: Duke University Press.

Foucault, M. (1978). Ein Spiel um die Psychoanalyse. In: Dispositive der Macht. Über Strafjustiz, Psychiatrie und Medizin. Berlin: Merve Verlag, 118–174.

Foucault, M. (1982). „The Subject and Power“. In: Michel Foucault. Beyond Structuralism and Hermeneutics, hrsg. v. H. L. Dreyfus und P. Rabinow. Chicago: University of Chicago Press, 208–226.

Foucault, M. (1993). „Technologien des Selbst“. In: Technologien des Selbst, hrsg. v. L. H. Martin, H. Gutman und P. H. Hutton. Frankfurt a.M.: Fischer, 24–62.

Franck, G. (1998). Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf. Wien: Carl Hanser.

Großmann, R. (2008). „Verschlafender Medienwandel. Das Dispositiv als musikwissenschaftliches Theoriemodell“. In: Positionen – Beiträge zur Neuen Musik, 74, 6–9.

Just, S. (2019). „Musikanalyse als Mediendispositivanalyse. Perspektiven einer Neuorientierung für die Popmusikforschung“. In: (Dis-)Orienting Sounds. Machtkritische Perspektiven auf populäre Musik, hrsg. v. R. von Appen und M. Dunkel. Bielefeld: transcript, 187–209.

Lacey, K. (2013). Listening Publics. The Politics and Experience of Listening in the Media Age. Cambridge: Polity Press.

McLuhan, M. (1988). The Laws of Media. The New Science. Toronto: Toronto University Press.

Müller, L.J. (2018). Sound und Sexismus. Geschlecht im Klang populärer Musik. Eine feministisch-musiktheoretische Annäherung. Hamburg: Marta Press.

Mulvey, L. (1999). „Visual Pleasure and Narrative Cinema“. In: Film Theory and Criticism. Introductory Readings, hrsg. v. L. Braudy und M. Cohen. New York: Oxford University Press, 833–844.

Reckwitz, A. (2006). Das hybride Subjekt. Eine Theorie der Subjektkulturen von der bürgerlichen Moderne zur Postmoderne. Weilerswist: Velbrück.

Schulze, H. (2018): The Sonic Persona. An Anthropology of Sound. New York: Bloomsbury.

Shaviro, S. (2010). Post-Cinematic Affect. Wincester: Zero Books.

Sterne, J. (2003). The Audible Past. Cultural Origins of Sound Reproduction. Durham: Duke University Press.

Thompson, E. (2002). The Soundscape of Modernity. Architectural Acoustics and the Culture of Listening in America, 1900-1933. Cambridge: MIT Press.

Vernallis, C. (2013). Unruly Media. YouTube, Music Video, and the New Digital Cinema. Oxford: Oxford University Press.

Wicke, P. (2008). „Das Sonische in der Musik“. In: PopScriptum 10: Das Sonische. Sounds zwischen Akustik und Ästhetik, hrsg. v. Jens G. Papenburg. Online unter: https://edoc.hu-berlin.de/bitstream/handle/18452/21050/pst10_wicke.pdf?sequence=1&isAllowed=y (Zugriff: 26.10.2020)


i Dies ist nur eine außerordentlich kompakt und “überschematisch” gehaltene Darstellung von Reckwitz’ Modell. Reckwitz versteht die von ihm sehr umfassend beschriebenen Subjektkulturen nicht als eine „Folge von selbstgenügsamen Blöcken“ (Reckwitz 2006: 88) und entsprechend geht er damit auch nicht von der Existenz klar voneinander isolierbarer und monolithischer Medienkulturen aus. Dieser ergänzende Hinweis scheint mir an dieser Stelle wichtig. Er versteht die Abfolge seiner drei Subjektkulturen durch das Konzept der Hybridität, womit er auch von einer gegenseitigen Durchdringung und Überkreuzung ausgeht. Das heißt, beim Übergang von einer Subjektkultur in die andere kann es vereinzelt zu Sinntransfers bereits bestehender Elemente kommen (ebd.: 87): Die Bestandteile einer älteren Subjektkultur können sich dann in modifizierter Form in einer neuen Subjektkultur wieder. Und das gilt natürlich auch für die Medien: Selbstverständlich werden die Schriftmedien des 19. Jahrhunderts nicht ohne weiteres vom Kinofilm oder Fernsehen des 20. Jahrhunderts erstickt. Ebenso wenig sind der analoge Kinofilm und das Fernsehen des 20. Jahrhunderts nicht einfach von der digitalen Medienkultur des späten 20. und 21. Jahrhunderts „ausgelöscht“ worden. Das Buch, der Film und das Fernsehen bestehen natürlich auch in Zeiten des Internets weiter fort. Aber hier kann – etwa mit Bezug auf Marshall McLuhans (1988) „tetrad of media effects“ – gesagt werden, dass sich deren Ästhetiken (z.B. die Art, Filme zu drehen oder Bücher zu schreiben) gewissermaßen an die modifizierten Medienerfahrungswelten der Subjekte angepasst haben. In dieser Richtung hat etwa Carol Vernallis (2013) gezeigt, wie die Macharten und Narrationen sowie die Bild- und Soundästhetiken von Kinofilmen im 21. Jahrhundert die modulatorische und schnelllebige Ästhetik des YouTube-Videos oder auch des Computerspiels adaptiert haben.

ii Reckwitz (2006: 474ff.) bringt Musik stellenweise ins Spiel. So etwa die Pop- und Rock-Musik der 1960er und 1970er, die für die gegenkulturelle Subjektivierung der damaligen Counter Cultures von großer Bedeutung war. Generell aber bleiben auditive Medien – wie zum Beispiel der Phonograph oder das Radio – und die Medienspezifik von Klangerfahrungen und Hörweisen in seiner Theorie der Moderne außen vor und kommen nicht als Technologien des Selbst in Betracht.

iii In dieser Richtung habe ich den Mediendispositivbegriff bereits andernorts (Just 2019) für den Kontext der Musikanalyse diskutiert.