Call | GfM Jahrestagung 2022 »Arbeit«

Institut für Musik-, Medien- und Sprechwissenschaft (IMMS); Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

28. September – 01. Oktober 2022

Tagungswebsite: https://gfm2022.medienkomm.uni-halle.de/

Einreichungen: ab 15. Februar 2022 über das externe Conference Tool, www.conftool.pro/gfm2022

Deadline: 31. April 2022

Annahmebescheid: 15. Mai 2022

Kontakt: gfm2022@medienkomm.uni-halle.de


Die Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) veranstaltet jährlich eine Tagung zur Diskussion aktueller Themen des Fachgebiets und theoretischer sowie methodischer Entwicklungen der Medienwissenschaft. Neben der Präsentation von Forschungsergebnissen bietet die Tagung Möglichkeiten, sich persönlich auszutauschen und mit wissenschaftspolitischen Fragen auseinander zu setzen. Das Tagungsthema »Arbeit« fragt nach dem Verhältnis von Arbeit und Medien in der ganzen Bandbreite von theoretischen, historischen und analytischen sowie medienpraktischen, sozialen und politischen Problemstellungen: von den gegenwärtigen medialen Bedingungen und Ermöglichungen von Arbeit über Darstellungen, Reflexionen, Modi und Formen des Arbeitens mit und in Medien sowie arbeitende Medien hin zu den Arbeitsmodalitäten der Medienwissenschaft selbst.

Tagungsthema: »Arbeit«

Arbeit bestimmt unsere Lage, beruflich wie privat. In der Regel sind es Medien, die Möglichkeiten und Bedingungen von Arbeit darstellen: so wie das Arbeitsmedium Schreibmaschine einst Anstellungsverhältnisse an Gender-Parametern ausrichtete, gelten Interface-Technologien heute als Grundlage postindustrieller Tätigkeit. Die Covid-19-Pandemie hat das Verhältnis zwischen Medientechnik und Arbeit zusätzlich verschärft und in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen zu einem dringlichen Thema werden lassen: etwa in Hinblick auf die schwindenden Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit oder Arbeits- und Wohnraum. Arbeitsbedingungen sind somit eng verzahnt mit Medientechniken und -umbrüchen. Medienwissenschaft zu betreiben bedeutet deshalb immer auch, über Voraussetzungen und Bedingungen des eigenen Arbeitens nachzudenken. Die Frage nach dem Verhältnis von Arbeit und Medien bildet somit einen Kerngegenstand medienwissenschaftlichen Arbeitens. Entsprechend lädt die GfM-Jahrestagung 2022 dazu ein, Prozesse des Arbeitens medienpraxeologisch zu reflektieren, medientheoretisch herzuleiten, medienhistorisch zu verorten, medienästhetisch zu fassen oder mediensoziologisch zu beschreiben.

Mit Locke, Smith und Marx wird Arbeit im 19. Jahrhundert zu einem zentralen Bezugspunkt der Bestimmung von Selbst und Gesellschaft. Ökonomische und politische Positionen des Industriekapitalismus verweisen auf Arbeitskraft und Produktionsmittel, Arbeitsweisen und Arbeitsteilung, Kapital und Markt. Sie beziehen sich zunächst auch positiv auf die über Postverkehr, Telegraphie und andere Medien ermöglichte Kommunikation unter Arbeitenden, ihre Organisation und erhoffte Kollektivität. Die heute als Schubphase des Anthropozäns verstandene Explosion industrieller Lohnarbeit ab 1870 beruhte gleichermaßen auf fossilem Kapital wie auf Formen medialer Informationsverarbeitung innerhalb von Industrie und Staat. Versuche, nationale und später globale Märkte zu etablieren, gelten nun ohne technische Medien als ebenso wenig denkbar wie ohne soziale Massen, aus denen sich der/die Arbeiter:in bald abhebt als gebrochene, der eigenen Tätigkeit entfremdete oder umgekehrt ideologisch überhöhte Figur. Im Kontext politischer Krisen und neuer Regimes der Sichtbarkeit, die weiblich konnotierte Dienstleistungen, häusliche Verrichtungen oder koloniales Zwangsschaffen nicht als Arbeit vorführen, sondern unsichtbar werden lassen (A.K. Daniels) stellt sich damit auch die allgemeinere Frage nach dem Tätigsein des Menschen und dem Unterschied zwischen homo faber und animal laborans. So thematisiert Hannah Arendt das Verhältnis von Arbeiten und Herstellen, labor and work, als Gegensatz zwischen der vermeintlich isolierten, repetitiven, unproduktiven Tätigkeit des Einzelnen und dem auf Dauerhaftigkeit angelegten Schaffen an einer geteilten menschlichen Wirklichkeit.

Bestimmungen wie diese werden heute indes selbst zunehmend problematisch angesichts von Rationalitäten und Technologien, die Arbeit gar nicht mehr als gesicherte Bezugskonstante für Selbst und Gesellschaft anbieten. Mit der Flexibilisierung von Arbeit in der Nachkriegszeit, im Zuge von Prozessen, die sie entgrenzen und entwerten, informalisieren und datafizieren, entstanden Grundlagen für ein gern pauschal dem digital turn zugeschriebenes ›Verschwinden der Arbeit‹, für »microwork« (Lilly Irani) und »bullshit jobs« (David Graeber). Nun begleiten Medien anscheinend nicht nur, sie begründen die Prekarisierung menschlichen Tuns, die ›Plattformisierung‹ kultureller Produktion, das Automatisieren, Fremdsteuern, De-Skilling und Monitoring einstmals qualifizierter Arbeitskraft. Arbeit wird dank Medien immateriell; so liegt es für die Politik nahe, anstehenden Arbeitsplatzverlusten aufgrund von Kohleausstieg und Strukturwandel mit Visionen kreativer Hubs und Medienarbeit zu begegnen. Während die Open Source-Szene oder die Maker-Bewegung eine Rückkehr zur freiwilligen, unentgeltlichen, allein am Gebrauchswert orientierten Arbeit feiern, wird die von namenlosen User:innen geleistete Arbeit auf werbefinanzierten Plattformen zum Problem. Medienarbeit ist heute nicht einfach nur abstrakt risikobehaftet im Sinne von »venture« oder »aspirational labor« (Gina Neff, Brooke Erin Duffy), sie schadet mitunter ganz konkret den ausführenden Subjekten, wie etwa Facebooks Content Moderator:innen.

Arbeit ist also kein einfacher Begriff philosophischer oder politischer Bestimmung und als Topos nicht auf einen schlichten Nenner zu bringen: Sie lässt sich funktional weder auf eine Trias medialer Speicherung, Übertragung und Verarbeitung reduzieren noch durch eine klassische Kulturtechnikforschung analysieren, die sich vornehmlich auf basale und historische Kulturtechniken des Schreibens, Lesens und Rechnens beschränkte. Vielmehr ist Arbeit gekennzeichnet durch eine Heterogenität medialer Praktiken – etwa des Organisierens, Produzierens, Überwachens, Redigierens, Identifizierens, Visualisierens, Folgens, Archivierens, Verzettelns oder Delegierens mit je spezifischen materiellen und informatischen Medientechniken der Ermöglichung und Begrenzung. Arbeit, gleich ob von Mensch oder Maschine ausgeführt, steht in einem Spannungsfeld von Ermächtigung und Disziplinierung.

An Orten der Medienkultur finden heute Formen verteilter Arbeit statt, die in klassischen Analysen von Newsrooms oder Karrieren oft vernachlässigt wurden. Rechenzentren, Server-Farmen, Amazons Lagerhäuser oder Operations Rooms sind nicht allein Orte der zentralen Daten- und Warenakkumulation und -verarbeitung, sondern auch Orte, an denen Maschinen mit Menschen Arbeit verrichten; das gleiche gilt für Film-, Fernseh-, Musik-, Game- oder Designstudios. Zur Medienarbeit gehören mithin Signalverarbeitung, Nachbearbeitung und KI-gesteuerte Prozesse. Die Medienwissenschaft beschreibt Arbeit in und mit Medien entsprechend mit einer Vielzahl von Begriffen unterschiedlicher Theorietraditionen, von Jürgen Habermas‘ Ausführungen zu »Arbeit und Interaktion« über Arlie Russell Hochschilds Verständnis von »emotional labor« hin zu Bruno Latours Konzept der »delegation of work« oder den in Arbeiten der Science and Technology Studies umlaufenden »boundary objects«; von Beobachtungen zur »liquid media work« (Mark Deuze) über die »hope labor« (Kathleen Kuehn/Thomas F. Currigan) hin zu »playbour« (Julian Kücklich). Und während sich für fotografische und audiovisuelle Medien die Frage nach Abbild- und Vermittelbarkeit stellt, verweist im künstlerischen Bereich die Abkehr vom Werkbegriff hin zum Oberbegriff der Arbeit (Sound Work, installative Arbeit usw.) für Produkte künstlerischer Tätigkeit unter anderem auf die mediengestützte Prozesshaftigkeit von Erfahrung.

Auch die Medienwissenschaft selbst organisiert sich über Arbeitsfelder, arbeitet am Medienbegriff und analytisch an unterschiedlichen Gegenständen des Medialen. Einen wesentlichen Beitrag hierzu leistet die GfM als zentrale Fachgesellschaft, insofern sie den inneren Zusammenhalt und die äußere Wahrnehmbarkeit des Faches herzustellen und zu fördern sucht. Ein Großteil dieser Arbeit läuft über 27 Arbeitsgruppen, die im Selbstverständnis der GfM das eigentliche dezentrale Zentrum der Gesellschaft bilden. Die Arbeitsgruppen schaffen eine Binnendifferenzierung der
Medienwissenschaft auf gegenständlicher, theoretischer und methodischer Ebene, stecken überdies Grenzen zu Nachbardisziplinen ab. Der damit unvermeidlich entstehenden Unübersichtlichkeit und ›Siloisierung‹ begegnet die Jahrestagung 2022 mit einem Format, das die Arbeitsgruppen stärker würdigt und im Blick auf das Tagungsthema »Arbeit« miteinander ins Gespräch bringt.

Format und Einreichungsmodalitäten

Das Konferenzprogramm besteht aus drei Veranstaltungstypen: individuellen Einreichungen für Einzelvorträge, Zentralveranstaltungen für alle Teilnehmer:innen und prä-konstituierten Panels, für die 2022 indes besondere Regeln gelten.

Wie in früheren Jahren können Einzelvorträge eingereicht werden. Zudem gibt es neben der regulären Mitgliederversammlung wie bislang für die gemeinsame Teilnahme aller Gäste vorgesehene Slots für den fachlichen und sozialen Austausch. Im Unterschied zu den Vorjahren gilt für die Auswahl und Programmgestaltung prä-konstuierter Panels 2022 hingegen ein anderer Standard: Besonders erwünscht und entsprechend gezielt bevorzugt werden zum einen aus den AGs heraus vorgeschlagene Panels, die also die fachlichen Positionen einer jeweiligen AG zum Tagungsthema pointiert vorstellen; dies auch im Sinne einer Einladung an bisher weniger in AGs vernetzte oder mit diesen kommunizierende Mitglieder, ihre Forschungfelder mit den Arbeitsgruppen in einen Dialog zu bringen. Zum anderen sind Panels erwünscht, die zwei oder mehr AGs entlang der jeweils fachlich erwünschten Differenzierungen ins Gespräch bringen. Im Hauptprogramm nicht zentral vertreten sein sollen hingegen Panels, die nur von den Mitgliedern einer einzelnen Einrichtung oder aus einem isolierten Forschungszusammenhang heraus gebildet werden. Entscheidend für die Annahme der Einreichungen sind somit (a) bei allen Eingängen die deutliche Passung zum Tagungsthema sowie (b) bei den prä-konstituierten Panels der konstruktive Bezug zu einer oder mehreren Arbeitsgruppen der GfM.

Einreichungen für Einzelvorträge umfassen: Vortragstitel, Abstract, Kurzbibliografie zum Zusammenhang von Vortrags- und Tagungsthema (max. 5 Titel) sowie Kurzbiografie (insgesamt max. 2000 Zeichen inkl. Leerzeichen). Im Falle einer Aufnahme ins Tagungsprogramm werden Einzeleinreichungen zu thematisch passenden Panels zusammengeführt.

Einreichungen für Panels umfassen: 3-4 Einzelvorträge (Titel, Abstract, Bibliografie, Kurzbio; insgesamt max. 2000 Zeichen inkl. Leerzeichen), einen Rahmentext (ebenfalls max. 2000 Zeichen inkl. Leerzeichen), der den Zusammenhang der einzelnen Beiträge und das Thema des Panels im Rahmen der Tagung erläutert sowie einen Vorschlag für die Moderation. Es wird erwartet, dass die Arbeitsgruppen bei Interesse an einer von ihnen vorgeschlagenen Panel-Einreichung selbst aktiv werden, gern auch in Rücksprache mit den Tagungsorganisator:innen, um Überschneidungen zu vermeiden.

Deadline für alle Einreichungen ist der 31. April 2022. Einreichungen erfolgen ab 15. Februar 2022 ausschließlich über das externe Conf-Tool, www.conftool.pro/gfm2022. Verspätete Einreichungen können nicht berücksichtigt werden. Die Benachrichtigungen zur Annahme oder Ablehnung erfolgen per E-Mail zum 15. Mai 2022.

Tagungsablauf

Die Jahrestagung 2022 findet nach den dann bundesweit geltenden Hygienestandards in Präsenz vor Ort in Halle/Saale statt. Eine Übersicht empfehlenswerter Unterkünfte in Halle wird Mitte Mai verfügbar gemacht; eine frühzeitige Buchung wird ausdrücklich empfohlen. Halle ist als zentraler bundesdeutscher ICE-Knotenpunkt aus allen Landesteilen sehr gut mit der Bahn, über den Flughafen Leipzig/Halle auch aus der Luft zu erreichen. In Leipzig stehen zahlreiche weitere Unterkünfte zur Verfügung, die Fahrtzeit beträgt je nach Verkehrsmittel und -lage zwischen 20 und 60 Minuten, zwischen Berlin und Halle liegt sie im ICE bei 60 Minuten. Alle Veranstaltungsorte befinden sich in der Innenstadt Halles und sind problemlos zu Fuß zu erreichen.